Tier-Mensch-Pädagogik

Sehr geehrte TeilnehmerInnen und Interessierte an unserer Studie „Vegetarisch- Vegane- Lebenswelten“

Wir freuen uns, Sie auf das Erscheinen des neuen Buches „Tier- Mensch- Pädagogik. Analyse einer Integration von Tierrechten in die Pädagogik.“  ISBN 978-3-658-00582-5 von Anna-Lena Wibbecke aufmerksam machen zu dürfen. 
Das Buch erscheint am 17.01.2013 im VS Verlag für Sozialwissenschaften und richtet sich an alle Interessierten der Thematik einer Integration von Tierrechten in die Erziehung sowie im Speziellen an Dozierende und Studierende der Pädagogik, Psychologie, Philosophie, Soziologie und verwandten Disziplinen sowie alle Berufsgruppen, die praktisch mit Menschen und Tieren arbeiten.

Einige Ergebnisse unserer Studie „Vegetarisch- Vegane- Lebenswelten“ fließen in diese Publikation mit ein.

Kurzbeschreibung des Verlags:
„Tiere und Menschen leben seit jeher gemeinsam auf dieser Erde. Zwangsläufig stehen sie daher in einer Beziehung. Miteinander- nebeneinander- gegeneinander. Steht der Umgang mit Tieren in engem Verhältnis zu unserem Umgang mit Menschen? Kann man, gerade im Bereich der tiergestützten Pädagogik, ethisch-moralische Erziehungsziele verfolgen und dabei den moralischen Umgang theoretisch und praktisch ausklammern? Können die erlernten Kompetenzen authentisch sein, wenn das Tier zu pädagogischen Zwecken benutzt wird, während seine Rechte als Lebewesen nicht berücksichtigt werden? Anna-Lena Wibbecke geht diesen Fragen nach und entwickelt Vorschläge für eine neue Gestaltung des Diskurses eines allgemeinen Verhältnisses zwischen Mensch und Tier.“


Inhaltsverzeichnis

Einleitung 
1 Tierethik, Tierrechte und Moraltheorien  
1.1 Ethik und Moral
1.2 Vom klassischen Utilitarismus zum tierethischen Standpunkt des Speziezismus
1.3 Recht und Würde
1.4 Albert Schweitzers universelle Ethik 
2 Die Stellung des Tieres im global-geschichtlichen Verlauf 
2.1  Das Tier in der Antike und Spätantike
2.2  Das Tier im Mittelalter
2.2.1 Augustinus
2.2.2 Thomas von Aquin
2.3 Das Tier in der frühen Neuzeit
2.3.1 Michel de Montaigne
2.3.2 René Descartes
2.4 Das Tier in der Epoche der Aufklärung
2.4.1 Jean-Jacques Rousseau
2.4.2 Immanuel Kant
2.5  Das Tier im Zeitalter der Industrialisierung und der Zeit psychoanalytischer Deutung
2.6  Das Tier in der heutigen Zeit
2.6.1 Klimawandel, globale Erderwärmung, Welthungerproblematik und der Umgang mit Ressourcen
2.6.2 Vegetarismus und Veganismus
2.6.3 Vegan-Vegetarische Erziehung
3 Die multidivergente Bedeutung der Tiere für die Pädagogik 
3.1 Lieben und Töten – ein Widerspruch?
3.2 Die kognitive Dissonanztheorie
3.3 Empathiefähigkeit als Basiskompetenz von Beziehungserleben
3.4 Prosoziales und altruistisches Verhalten im moralisch-sozialisatorischen Kontext
3.5 Benennen und benannt werden. Soziale Mimesis als kommunikative Brücke der Mensch-Tier Beziehung 
4 Der Einsatz von Tieren in der modernen Pädagogik und Therapie 
4.1 Tiergestützte Pädagogik
4.2 Therapeutisches Reiten als Beispiel Tiergestützter Pädagogik
4.2.1 Ausbildung und Voraussetzungen
4.2.2 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren
4.2.2.1 Das Pferd
4.2.2.2 Ziele, Wege und Möglichkeiten des Heilpädagogischen Voltigierens und Reitens
4.2.3 Die Notwendigkeit einer Integration von Tierrechten im Therapeutischen Reiten am Beispiel des Heilpädagogischen Voltigierens und Reitens 
5 Die Notwendigkeit der Begründung einer Tierethischen Pädagogik


Leseprobe:

Einleitung
Moralisches Handeln und ethische Grundkonzepte genießen, gerade in der Pädagogik,
einen hohen Stellenwert. Seitdem dem Kind im 17. Jahrhundert erstmals
autarke Bedürfnisse zugestanden wurden, entwickelte sich diese Auffassung im
Laufe der Geschichte stetig weiter. Johann Amos Comenius entwirft seine Didactica
Magna, Jean-Jeacques Rousseau reformiert mit dem Erziehungsroman Emil
die gängige Ansicht des autoritären Erziehers. Friedrich Fröbel und Maria Montessori
prägen im 18. und 19. Jahrhundert den Ansatz eines Interesses am Kind selbst
und seiner Eigenständigkeit, seinem Eigenrecht und seiner Lernfähigkeit und ebnen
mit dieser neuen Sichtweise den Weg einer modernen Erziehungswissenschaft
(vgl. Hierdeis 1983, S. 81). Vielfältige, sehr verschieden gelagerte Konzepte wurden
seitdem entworfen, diskutiert, erneuert und der jeweiligen Epoche angepasst.
Bei aller Verschiedenheit haben all diese Konzepte jeweils eine annähernd gemeinsame
Zielvorstellung: eine bestmögliche Erziehung soll von der Theorie in die
Praxis umgesetzt werden. Das Bild des Menschen, welches die Ethik- und Moralvorstellungen
der jeweiligen Zeit internalisiert hat, ist fester Bestandteil der [anthropologischen]
Pädagogik (vgl. Wulf 2001).
Ein Erlernen von Kompetenzen wie Empathiefähigkeit und prosozialem
Verhalten sind nach der heutigen Auffassung von Erziehung eine wichtige Basis
auf dem Weg zu einer selbstbestimmten Persönlichkeit (vgl. Berk 2005/Zimbardo
2004/Stroebe 2007). Empathiefähigkeit gilt heute als Schlüsselkompetenz
für die gesamte Lebensspanne und wird bereits ab dem Kindergartenalter gewünscht
und gefördert (vgl. ebd.). Die tiergestützte Pädagogik findet hierfür als
mögliche Methode positiven Anklang (vgl. Irvine 2008/Otterstedt 2003). Verschiedene
Tiere kommen als Vermittler und Co-Therapeuten zum Einsatz. Sei es
ihr sanftmütiger Blick, ihr weiches Fell, ihre besondere, unmittelbare Art der
Kommunikation, oder ihr Rücken, der Kinder und Erwachsene trägt und stärkt:
das Tier hat in der Pädagogik längst Einzug genommen.
Durch Beziehungserfahrungen lernt das Kind, als gesellschaftliches Wesen,
sich im sozialen Raum zu bewegen. Soziale Mimesis gilt als kommunikative
Grundlage jedweder kultureller Struktur (vgl. Wulf 2001). Durch mimetischen
Nachvollzug verstehen Menschen ihr Gegenüber und lernen schrittweise dessen
Gefühle und Verhaltensweisen einzuschätzen. Diese basale Kommunikationsform
ist auch speziesübergreifend zwischen Mensch und Tier möglich. Im Rahmen der
tiergestützten Pädagogik und Therapie kann diese sinnliche Beziehungsanbahnung
spürbar und erfahrbar gemacht werden.
Doch dies ist nur eine Seite unseres Verhältnisses zum Mitgeschöpf Tier.
Ambivalenz karikiert diese Beziehung. Einerseits lieben Menschen Tiere, andererseits
werden Tiere als Sache behandelt und sind den Interessen der Menschen
untergeordnet. Tiergestützte Pädagogik befindet sich in einem gesamtgesellschaftlichen
Kontext, in welchem Tieren keine besonderen Rechte zugesprochen werden.
Selbst in diesem Bereich werden Tiere oft lediglich kommerziell vermarktet und
als Mittel zum Zweck benutzt. Tiere neigen dazu, sich vom Menschen unterwerfen
zu lassen. Therapieerfolge der Klienten lasten so oftmals auf dem Rücken der
Tiere. Die tiefere Sinnhaftigkeit, die diese Methode haben kann, die ein Erlernen
von Achtung vor dem Lebewesen beinhaltet, bleibt somit ignoriert.
Im Bereich der Tierethik finden sich unterschiedliche Ansätze wieder, die
sich aus philosophischen Perspektiven heraus entwickeln konnten und teilweise
auf diesen aufbauen (vgl. Wolf 2008). Auf einige dieser Theorien soll im Folgenden
eingegangen werden, um sie vor dem Hintergrund eines allgemeinen
Ethikverständnisses zu diskutieren und auf die heutige pädagogische Situation zu
übertragen. Weitere Perspektiven eines Umgangs mit dem Tier im geschichtlichen
und religiösen Verlauf sollen diesen Abriss ergänzen. Die Betrachtungsweisen
der Tiere reichen hierbei von einer Vermenschlichung, bis hin zu einem
Absprechen jeglicher Gefühlsregungen (vgl. Linnemann 2000). Die psychologische
Theorie der kognitiven Dissonanz (vgl. Festinger 1957) wird für ein besseres
Verständnis ambivalenten Handelns hinzugezogen.
Kann man, gerade im Bereich der tiergestützten Pädagogik, ethisch-moralische
Erziehungsziele verfolgen und dabei den moralischen Umgang theoretisch
und praktisch ausklammern? Können die erlernten Kompetenzen in der tiergestützten
Pädagogik authentisch sein, wenn das Tier zu pädagogischen Zwecken
benutzt wird, während seine Rechte als Lebewesen nicht berücksichtigt werden?
Die Integration von Tierschutz und Tierrechten in die tiergestützte Pädagogik
und Therapie erhöht, zumindest auf bestimmten Ebenen, die Effizienz pädagogischer
Verfahren.
Diese These und die mögliche Relevanz der tierethischen Debatte und deren
Konsequenzen für eine moderne Pädagogik in Theorie und Praxis sollen hier herausgearbeitet
werden. Der Bedeutung einer ethischen Bezugnahme der Tiere zur
Pädagogik und einer tiergerechten Behandlung von Tieren in der Pädagogik, wird
also in dieser Arbeit nachgegangen. Zum einen in Form der tiergestützten Pädagogik
und Therapie, am Beispiel des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens,
zum anderen in der Frage eines generellen Zusammengehörens von Menschen und
Tieren, deren Verhältnis zueinander und einem sich daraus möglicherweise entwickelnden
Verständnis einer holistisch-pädagogischen Betrachtungsweise.



Über Fragen, Anregungen und Feedback freue ich mich sehr!

Anna-Lena Wibbecke

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